Drei Jahre Ärger

Die Bellerivestrasse ist die zentrale Einfallachse in die Stadt für Bewohner des rechten Zürichseeufers. Ab 2019 wird sie aufwendig saniert. Eine Ausweichroute über eine schwimmende Brücke auf dem See ist gescheitert.

Quelle: Daniel Fritzsche (nzz.ch)


Im Bernhard-Theater werden gemeinhin heitere Stücke gespielt. Doch was die über 100 Zuschauer am Donnerstagabend von der Bühne herab zu hören bekamen, nahmen manche eher als düsteres Drama auf. «Ich kann Ihnen leider keine guten Nachrichten verkünden», sagte Esther Arnet offen. Die Direktorin der Dienstabteilung Verkehr sprach Klartext. Die dreijährige Sanierung der Bellerivestrasse, die 2019 beginnen soll, treffe alle Verkehrsteilnehmer hart. «Alle müssen mit Beeinträchtigungen rechnen», sagte sie am Informationsanlass vor Anwohnern und Gewerbevertretern.

Die Sanierung des 2,3 Kilometer langen Strassenstücks erachtet der Stadtrat als unumgänglich. Grund seien die Werkleitungen, die in einem «desolaten Zustand» seien, wie es der zuständige Tiefbauvorsteher Filippo Leutenegger (fdp.) ausdrückte. Rund 64 Millionen Franken wird die Gesamterneuerung kosten. Leutenegger nahm sich die Zeit, die verschiedenen Varianten darzulegen, welche die Stadt prüfte, um ans Ziel zu gelangen. Im Wesentlichen standen drei Optionen im Raum.

 

  • Die konventionelle Variante: Der Verkehr wird auch während der Bauzeit über die Bellerivestrasse geführt – jedoch nur zwei- anstatt wie bisher vierspurig. Die Arbeiten können so schnellstmöglich abgewickelt werden. Es wird an 6 Tagen in der Woche gearbeitet, im Schichtbetrieb, meist von 7 bis 23 Uhr.
  • Die Variante zulasten des Quartiers: Der Verkehr wird über die Dufourstrasse durch das Seefeld umgeleitet. So können die Autos weiterhin auf vier Spuren verkehren; dafür müssen aber rund 150 Parkplätze und 10 Fussgängerstreifen geopfert werden. Die Quartierbevölkerung muss mit mehr Lärm und Abgasen leben. Die Kosten erhöhen sich um 10 Millionen Franken.
  • Die kreative Variante: Die Autos weichen in einer Fahrtrichtung auf eine schwimmende Pontonbrücke im Zürichsee aus. Dies ermöglicht einen entflochtenen Verkehr. Jedoch wird es schwierig bis unmöglich, vom Kanton die nötigen Bewilligungen zu erhalten. Der Bau der Brücke alleine kostet zusätzlich 20 Millionen Franken.

    Nach Abwägen der Vor- und Nachteile der drei Optionen entschied sich der Stadtrat für die konventionelle Lösung, Nummer 1. Ausschlaggebend sei vor allem gewesen, dass die Sanierung so möglichst zügig erledigt werden könne, sagte Tiefbauvorsteher Leutenegger auf Nachfrage. Dank «intensivster Bauweise» sollte nach drei Jahren auch wirklich Schluss sein. Sonst hätten die Arbeiten mindestens doppelt so lange gedauert. «Wir betreiben einen gigantischen Aufwand, damit es möglichst schnell geht.» Ein Wermutstropfen dieser Lösung, der jedoch bei allen Varianten zum Tragen gekommen wäre: Damit die schweren Baumaschinen während der Bauzeit Platz finden, müssen an der Bellerivestrasse rund 90 Bäume gefällt werden. «Das ist leider der Preis, den wir für die schnelle Bauweise bezahlen», meinte Leutenegger. Viele der Bäume seien aber ohnehin Neophyten oder altersschwach. Sie würden nach vollendetem Werk wieder ersetzt. Mehr als das: Es würden sogar 26 zusätzliche Bäume gepflanzt.

Die Sorgen über die anstehende Grossbaustelle sind im Quartier und darüber hinaus gross. Das kam in der Fragerunde im Bernhard-Theater zum Ausdruck. Sei es wegen der Bäume, die gefällt werden, sei es wegen der Lärmbelastung, die zu erwarten ist, sei es wegen der Fussgängerstreifen, die während der Bauzeit reduziert werden. Daniel Westermann, Gemeinderat in der Zürichsee-Gemeinde Erlenbach, wies darauf hin, welche Bedeutung die Bellerivestrasse für die Bewohner des Bezirks Meilen habe. Am rechten Seeufer fehle ein Autobahnanschluss, und die S-Bahn sei zu Spitzenzeiten überlastet. Wenn nun das Nadelöhr Bellerivestrasse während dreier Jahre behindert werde, dann würden dies die Goldküstenbewohner zu spüren bekommen. Sie hätten die Lösung mit der Ponton-Brücke bevorzugt. Esther Arnet legte dar, dass der Autoverkehr trotz Baustelle fliessen sollte: «Wir haben kein Interesse daran, dass die Autos auf das Quartier ausweichen», sagte sie.

Von verschiedenen Interessenvertretern wurde auch die Zeit nach der Sanierung angesprochen. So hielt der Velo- und ÖV-Lobbyverein Umverkehr während der ganzen Veranstaltung ein Transparent hoch, auf dem er Tempo 30 und einen Autospurabbau forderte. Diesem Wunsch schloss sich die IG «Bellerivestrasse für alle» an. Auch der Quartierverein bedauerte, dass sich die Stadt diesbezüglich «keine Gedanken» mache und zum Beispiel keinen entsprechenden Versuch während der Bauzeit angestrebt habe. Filippo Leutenegger erklärte, dass der Kanton auf der überregional wichtigen Strasse ein solches Begehren kaum bewilligt hätte.

Susanne Brunner, Präsidentin des Gewerbevereins Seefeld und SVP-Stadtratskandidatin, stiess sich an der Haltung der «Verkehrsberuhiger»: «Wenn wir anfangen, Hauptverkehrsachsen zu Spielplätzen umzufunktionieren, dann können wir die Stadt gleich ganz dichtmachen», sagte sie nach dem Anlass. Die Wirtschaft floriere entlang von wichtigen Handelsrouten; dies habe die Geschichte gezeigt. Die Strassenkapazität müsse erhalten bleiben – auch um auf künftige Entwicklungen, namentlich in der E-Mobilität, vorbereitet zu sein. Die Pläne zum Grossprojekt Bellerive-Sanierung liegen ab heute Freitag öffentlich auf.