Die Schulen in der Schweiz könnten bis vier Monate zu bleiben (NZZ)

Die Schulen in der Schweiz könnten bis vier Monate zu bleiben, sagt Regierungsrätin Dr. Silvia Steiner, die oberste Bildungsdirektorin vom Kanton Zürich.

Eltern und Kinder sollten sich auf längere Schulschliessungen einstellen.

Quelle: NZZ am Sonntag vom 15. März 2020


Am Freitag verfügte der Bundesrat, dass bis 4. April kein Unterricht mehr in den Schulen stattfindet. Doch jetzt schon müssen sich Eltern und Kinder darauf einstellen, dass die Schulen länger zubleiben: «Wir planen so, dass wir für eine Verlängerung der Massnahme gewappnet sind», sagt die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner (cvp.), die auch die Erziehungsdirektorenkonferenz präsidiert.

«Da die Wissenschaft damit rechnet, dass es drei bis vier Monate dauert, bis die Epidemie abflacht, müssen wir auch mit Schulschliessungen für diesen Zeitraum rechnen», sagt sie. Bereits jetzt ist der Kanton über die Bundesvorgaben hinausgegangen und verlängert die Massnahmen bis zum Beginn der Frühlingsferien am 13. April. «Das gibt uns Zeit, die nächsten Schritte zu planen», sagt Steiner.

Es geht also nicht bloss um eine kurze Auszeit für die Schüler. Umso wichtiger ist es, dass sie in dieser besonderen Situation beschult werden. «Schule findet weiterhin statt, einfach in einer anderen Form», betont Steiner. Konkret heisst das, dass ab Montag der Unterricht vor Ort in der Schule zwar ausfällt, die Schüler aber zu Hause lernen müssen. «Wir wollen auf jeden Fall verhindern, dass diese aussergewöhnliche Massnahme zu einem Knick in der Bildungskarriere der Kinder und Jugendlichen führt.»

Nun müssen die Schulen sofort vom Präsenzunterricht auf eine Art Homeschooling umstellen. Wie dieses aussehen wird, weiss niemand genau. Landauf, landab wird an Lösungen gearbeitet. «Die Schulen sind nun gefordert, die nötigen Ersatzmassnahmen zu treffen», sagt Steiner. «Wir haben hervorragend ausgebildete Lehrer, die in dieser nie dagewesenen Situation innovative Konzepte entwickeln werden.» Sie geht davon aus, dass es Berufs- und Gymischülern leichterfallen wird, den Unterricht auf digitalem Weg fortzusetzen. In der Primarschule werde das schwieriger.

Das hängt einerseits mit dem Alter und dem Schulstoff zusammen aber auch damit, dass die Schulen unterschiedlich ausgerüstet sind. In der Stadt Zürich hat jedes Kind ab der fünften Klasse ein Tablet. Andernorts fehlen individuelle Ausrüstungen in der Primarschule. Die Oberstufen wiederum setzen oft auf unterschiedlich leistungsfähige private Geräte der Schüler. Im Internet kursieren bereits Checklisten für die Schulen: Was benötigen sie für ein effektives Homeschooling? Eine koordinierte Vorbereitung aber gab es nicht.

Das führt auch zu Kritik. «Wir hätten früher mit der Planung für einen solchen Fall beginnen müssen», sagt eine Mittelstufenlehrerin. Man habe seit mindestens einer Woche mit der Möglichkeit einer Schliessung rechnen müssen. Die Lehrer hätten aber erst am Freitag Bescheid erhalten. Sie habe mit den Schülern dennoch ein solches Szenario geübt. Andere Lehrer treffe es unvorbereitet. Nicht einmal alle hätten ihre Kinder am Freitag dazu angehalten, ihr Material nach Hause zu nehmen. Auch die Elterninformationen fallen unterschiedlich aus: Einige Lehrer geben konkrete Aufgaben, andere warten ab.

Die Schüler sollen zu Hause nicht nur lernen, sondern sich auch regelmässig mit ihren Lehrern austauschen: Je nach Ausrüstung geschieht das via Mail, Chat oder Telefon. Einzelne planen Videokonferenzen, andere lassen die Eltern wissen, dass sie bloss einmal täglich Mails lesen.

Der Nachholbedarf bei einzelnen Schulen und Lehrern ist gross. Das Softwareunternehmen Microsoft Schweiz wird allein in den nächsten Tagen Schulungen für mehrere hundert Schulleitungen durchführen, sagt ein Sprecher. Software werde gratis zur Verfügung gestellt. Auch die Zürcher Bildungsdirektion will Informatikprojekte vorantreiben, verspricht Steiner. So gesehen habe die Schulschliessung auch eine positive Seite: «Es wird sicher zu einem Schub führen, was die Digitalisierung und moderne Unterrichtsformen anbelangt.» Sie rechnet mit einer «Phase des Chaos». Doch dann werde sich der Schulbetrieb neu einpendeln.

«Jetzt beginnt die grosse Arbeit», sagt Filippo Leutenegger, Zürcher Stadtrat und Schulvorsteher. Nachdem die Eltern informiert worden sind, muss eine Notbetreuung sichergestellt werden für Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten und die keine Betreuung organisieren konnten. Vor allem aber gehe es nun darum, die längerfristige Beschulung der Kinder sicherzustellen: «Ich stelle mich darauf ein, dass wir noch über die Frühlingsferien hinaus beim Fernunterricht bleiben müssen.»